Datenschutz

Überwachung durch biometrische Daten: Eine aktuelle Betrachtung

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George Orwell würde sich sicherlich selbst wundern, wenn er sehen könnte, dass sein 1949 veröffentlichter Roman 1984 in einigen Bereichen bereits von der Realität eingeholt wurde.

Orwell kritisierte in seinem Buch staatliche Überwachungsmaßnahmen und nahm einige Dinge vorweg, mit denen wir uns in der Gegenwart auseinandersetzen: Gesichtserkennung, Scanner am Flughafen, Fingerabdrücke im Ausweis etc.

Durch die Olympischen Winterspiele in China ist das Thema der Überwachung wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch wer mit Finger auf China zeigt, sollte nicht übersehen, dass sich die Zustände vor unserer eigenen Tür verändert haben. Staatliche Überwachung ist auch in Europa ein Thema, mit dem man sich wieder stärker wird auseinandersetzen müssen.

Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) hat biometrische Überwachungssysteme in Europa untersucht. Im Fazit kommt die Studie zu dem Schluss, dass die eingesetzten Systeme vielfach unrechtmäßige Daten erheben.

In der Studie wird beklagt, dass Gesichtserkennungen sowie andere Formen der biometrischen Massenüberwachung in der gesamten Europäischen Union missbräuchlich verwendet werden. Die Nutzung und Anwendung der Systeme – so wie sie genutzt würden – seien mit dem Datenschutzrecht der EU nicht vereinbar. Der Vorwurf von EDRi: Menschen würden wie Verdächtige behandelt werden und seien einem Generalverdacht ausgesetzt.

Was genau sind biometrische Daten?

Biometrie beschreibt Technologien zur Messung und Analyse von menschlichen Körpermerkmalen. Sie beziehen sich auf bestimmte Charakteristika, die sich auch wandeln können, z. B. Die Stimme eines Menschen. Überwiegend versteht man unter biometrischen Daten aber physiologische Charakteristika.

Dazu gehören:

  • Fingerabdrücke
  • Gebissabdruck
  • Maße und Proportionen
  • Struktur der Venen unterhalb der Haut
  • Iris-Muster

Genutzt werden können diese Daten entweder zur Verifikation oder Identifikation einer Person. Die Verifikation überprüft, ob die Person auch diejenige ist, die sie vorgibt zu sein. Bei der Identifikation überprüft man, ob die biometrischen Daten einer Person mit einem Datensatz in einer Datenbank (z. B. bei der Polizei) übereinstimmen.

Die Datenschutzgrundverordnung und eine EU-Resulotion

In der Datenschutzgrundverordnung wird die biometrische Überwachung nach Art. 4 Nr. 13 und 14 verboten. Denn diese Daten machen einen Menschen eindeutig identifizierbar, weswegen der Schutz dieser sensiblen Daten als besonders hoch gewertet wird. Nach Art. 9 Abs 1 DSGVO gilt sogar ein betontes Verarbeitungsverbot für biometrische Daten.

Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO ein dringender Tatverdacht gegen eine Person besteht.

Keine Frage, eine Gesichtserkennung kann auch Vorteile mit sich bringen – wenn sie für die Verfolgung von Straftäter:innen eingesetzt wird. Das Problem ist: Um diese Täter:innen zu finden, muss man aber erst einmal sämtliche Menschen scannen.

Die neue Bundesregierung hat sich hinsichtlich der neu ausgerichteten Sicherheitspolitik deutlichen Zielen unterworfen. Im Koalitionsvertrag heißt es:

Die Eingriffe des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen stets gut begründet und in ihrer Gesamtwirkung betrachtet werden.

Im Oktober 2021 hatte sich das EU-Parlament bereits mit einer knappen Mehrheit gegen die biometrische Massenüberwachung ausgesprochen. Der automatisch durchgeführten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum sowie bei Grenzkontrollen sollte damit ein Riegel vorgeschoben werden.

Nach Ansicht einer Mehrheit des Parlaments dürfe die Überwachung nur auf Personen angewendet werden, die Verdachtsmomente erzeugt hätte. Aber auch Straftäter:innen sollen nicht einfach anhand einer KI überwacht werden. Dem Willen des EU-Parlaments folgend, sollen derartige Überwachungen nur unter menschlicher Aufsicht erfolgen.

Die Resolution hat einen Wunschcharakter, sie ist nicht bindend.

Beispiele aus dem Einsatz biometrischer Daten im Ausland

Im Ausland schlägt man bereits eine härtere Gangart an, wie ein Bericht von Amnesty International nahelegt.

Am 27. April 2021 hat die Polizei in Moskau die Wohnungen der Journalisten ­Alexej Korosteljow, Oleg Owcharenko und Alexander Rogoz aufgesucht und sie zu ihrer Teilnahme an einer Demons­tration am 21. April für Alexej Nawalny befragt. Bei der Demonstration wurden Teilnehmende gefilmt und diese Filme anschließend mit Gesichtserkennungsmethoden ausgewertet. So lässt sich zügig feststellen, wer wann wo war und mit wem er oder sie gesprochen hat. Die Journalisten wurden als Teilnehmende an der Demonstration identifiziert. Alle waren als Journalisten akkreditiert. ­Dennoch drohen ihnen nun Gefängnisstrafen.

Um derartige Praktiken zu sehen, müssen wir nicht bis nach Russland sehen. Da reicht bereits ein Blick zu unserm Nachbarn Frankreich. In Nizza wurden die Emotionen von Fahrgästen einer Straßenbahn ausgewertet, um Konfliktpotenziale vorherzusehen.

In Frankreich hat man sich die Überwachungen durch den chinesischen Staat genau angesehen. Denn dort konnte man gut für die Olympischen Sommerspiele 2024 sehen, welche Methoden funktionieren und welche eher nicht.

Status quo in Deutschland und Europa

Die biometrische Überwachung ist in Europa auf dem Vormarsch. Entnommen werden kann dies einer Untersuchung der Grünen, die diese für das Europaparlament eingefordert haben.

Ein Blick auf die Ergebnisse des Berichts sind erschreckend. China stellt mit 50 Prozent den größten Anteil der weltweit über 700 Millionen aufgestellten Überwachungskameras. In Paris sind es fast vier Kameras pro 1.000 Einwohner:innen. Europäischer Champion – wenn man es so positiv ausdrücken mag – ist England. In London kommen auf 1.000 Einwohner:innen 73 Kameras. Berlin kommt im Schnitt ca. auf sechs Kameras.

Noch in diesem Jahr sollen verschiedene Informationsdatenbanken zusammengelegt, um eine Biometrie-Superdatenbank zu erschaffen.

Laut Planungen der EU sollten die folgenden Systeme miteinander verbunden werden:

  • Register der VISA (VIS)
  • Fingerabdrücke von Asylbewerbern (Eurodac-Datei)
  • Schengen-Informationssystem (SIS)
  • Ein- und Ausreisesystem zur biometrischen Grenzkontrolle (Smart Borders)
  • Europäisches Reisegenehmigungssystem (ETIAS)
  • Identitätsdaten für Personen aus Drittstaaten (Geburtsdatum, Passnummer, digitale Bilder, Fingerabdrücke)

Überwachung vs. Sicherheit

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wollen wir unsere Daten schützen und unsere Privatsphäre haben. Jedoch empören wir uns, wenn sich im Nachhinein eines Terroranschlags herausstellt, dass der Täter hätte aufgehalten werden können, hätte man nur die entsprechenden Befugnisse gehabt, die Daten auswerten zu dürfen.

Im Zentrum stehen dabei die folgenden Fragen:

  • Wie viel Freiheit sind wir bereit, aufzugeben, um in Sicherheit zu leben?
  • Erhöhen umfassende Überwachungsmaßnahmen wirklich unsere Sicherheit?

Die Antwort ist eine sehr individuelle. Denn jeder Mensch gewichtet Datenschutz und Sicherheit anders. Fakt ist, niemand möchte permanent überwacht werden. Ob er es nun mitbekommt oder nicht.

Allerdings geben wir freiwillig unseren Fingerabdruck her, um unser Handy zu entsperren. Oder unser Gesicht. Wenn es bequem ist, wird der Datenschutz zu selten hinterfragt.

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